Selbsthilfe: Jahresbericht 2022 des El-dro-ST e.V.

Das Selbsthilfebüro der Paritätischen Sozialdienste in Karlsruhe veröffentlicht für Selbsthilfegruppen und Freunde der Selbsthilfe aus dem Stadt- und Landkreis Karlsruhe folgende Mitteilung:

Im Jahr 2022 fand unser stets gut besuchtes wöchentliches Gruppentreffen insgesamt 48-mal statt. In der ersten Jahreshälfte überwog coronabedingt das Online-Format. In der zweiten Jahreshälfte konnten wir uns endlich wieder in Präsenz treffen.

Die Mitgliederversammlung des Vereins EL-dro-ST e.V. war im April 2022. Das bestehende Vorstandsteam wurde in seinem Amt bestätigt. Mit Dr. Andreas Gebauer (2. Vorstand) und Rudolf Fitterer (Beisitzer) konnte das bestehende Leitungsteam erweitert werden.

Im Juni 2022 hat Bettina Konstandin das Thema Doppeldiagnose bei unserem Gruppentreffen vorgestellt. Da sich viele Eltern nicht nur mit Sucht, sondern auch mit psychischen Krankheiten ihrer Kinder konfrontiert sehen, war dieser Themenabend für betroffene Eltern sehr wertvoll.  Anhand von anschaulichen Bildern konnte Bettina Konstandin sehr gut erläutern, wie Psychose-Betroffene ihre Umwelt wahrnehmen.

Ebenfalls im Juni 2022 fand unser EL-dro-ST Tagesseminar mit Heike Cossu zum Thema „Achtsamkeit im Alltag“ an einem Samstag statt. Achtsamkeit bedeutet, im Hier und Jetzt zu sein – und zwar nicht nur körperlich, sondern auch mental. Das ist für unsere betroffenen Eltern sehr schwer. Heike Cossu hat uns aufgezeigt, wie wir im Alltag besser für uns sorgen können.

Auch Juni 2022 konnte ich als 2. Vorstand dem Markus-Haus in Essen einen Besuch abstatten und den Leiter der Einrichtung, Herrn Niestrat treffen. Das Markus-Haus in Essen stellt Wohn- und Betreuungsangebote für Doppeldiagnose-Patienten zur Verfügung und hat im Umgang mit diesen Patienten langjährige Erfahrung erworben. In der deutschen Fachgesellschaft für Psychose und Sucht e.V. ist es sehr aktiv. Das Markus-Haus supervisiert auch andere Einrichtungen. Besonders gefallen hat mir der wertschätzende Umgang mit den Klienten, von dem ich mich vor Ort persönlich überzeugen konnte. Im Nachgang haben wir auf Bundes- und Landesebene der Elternkreise Vorschläge eingebracht, um intensiver mit dem Markus-Haus zusammenzuarbeiten.

Im Juli 2022 war Frau Matt, Beraterin aus der Drogenberatungsstelle Ettlingen bei unserem wöchentlichen Gruppentreffen zu Gast und berichtete über ihre Arbeit. Frau Matt erläuterte, wie wichtig die Beziehungsarbeit mit suchtmittelabhängigen Menschen sei. Eine vertrauensvolle authentische Beziehung könne das Nachdenken über das eigene Verhalten ermöglichen; Ziele und Wünsche für das eigene Leben können entwickelt werden. Hilfreich sei, wenn Kinder/Jugendliche etwas haben oder finden, wofür sie brennen, wofür es sich dann lohnt, mit dem Konsum aufzuhören. Bei entsprechender Motivation vermittelt die Drogenberatung ganz konkret in jeweils geeignete Therapieformen. Frau Matt benannte die Scham in Familien, die es häufig erschwere, Beratung in Anspruch zu nehmen. Auch, dass sich die Betroffenen oft selbst nicht als suchtkrank erlebten und deshalb keinen Sinn in einer Drogenberatung sähen. Gut zu wissen: Die Drogenberatung ist auch für Angehörige da, wenn der suchtabhängige Mensch aktuell keine Hilfen möchte.

Im Juli 2022 nahm der Vorstand an der Fachtagung „Double Trouble – Sucht kommt selten allein“ in Stuttgart teil, die von der Landesstelle für Suchtfragen in Baden-Württemberg e.V. in Kombination mit den ZfP Baden-Württemberg ausgerichtet wurde.

Sucht kommt fast immer in Begleitung. So haben wir auch diesmal wieder gehört, dass Doppel- und Mehrfachdiagnosen die Regel bei Süchtigen sind und nicht die Ausnahme. Dazu gehören beispielsweise Psychosen, Traumata, Borderline, ADHS, Angststörungen etc. Oft nehmen Süchtige ihre Drogen als Selbstmedikation, da sie sonst das normale Leben in Verbindung mit ihrer psychischen Erkrankung nicht aushalten. In einigen Fällen ist eine psychische Erkrankung aber auch Folge einer intensiven Drogensucht, beispielsweise Psychosen nach Cannabiskonsum. Erst seit ca. 10 Jahren gibt es erste integrative Spezialangebote für kooperative Doppeldiagnose-Patienten. Doch dieser Personenkreis hat es sehr schwer, kompetente Psychiater und Psychotherapeuten zu finden. Mit einer neuen Richtlinie „sektorenübergreifende Zusammenarbeit“ des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA soll die ambulante Zusammenarbeit für Süchtige verbessert werden. Dazu sollen sich Ärzte, Psychologen und andere Leistungsträger zu einem Netzwerkverbund zusammenschließen. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurde diese Richtlinie sehr kontrovers diskutiert. Nach der Tagung haben wir nachgeforscht: Bis Ende Oktober ist noch kein einziger Netzwerkverbund in Baden-Württemberg gegründet worden. Wir als EL-dro-ST e.V. würden uns hier in Karlsruhe und Umgebung natürlich ein entsprechendes Angebot wünschen. Daher werden wir in Zukunft weiterverfolgen, ob ein entsprechendes Angebot entsteht.

Ein besonderes Ereignis war der Gruppenbesuch von der Deutschen Presse-Agentur im August. Der hieraus resultierende Pressebericht ging weit über die Grenzen des Wirkungskreises unserer Selbsthilfegruppe hinaus. Er wurde sogar in deutschsprachigen Nachbarländern veröffentlicht und war somit ein hilfreiches Instrument für die Öffentlichkeitsarbeit. Ein weiteres Projekt mit der dpa im kommenden Jahr befindet sich bereits in Planung. Im Oktober 2022 fand dann wieder unser bewährtes Wochenend-Seminar in Baerenthal (Elsass) für Teilnehmer unserer Gruppentreffen statt. Wie schon in den Vorjahren hat unser Referent Roland Schilling durch das Seminar geführt. Dieses Jahr war das Thema „Das Schweigen über die Sucht“.  Neben praktischen Übungen wurde auch theoretisches Grundwissen über die Kommunikation vermittelt (Drama-Dreieck, Transaktionsanalyse, Konfliktstile). Das Seminar im Wechsel mit Einzelarbeit, Kleingruppenarbeit, Diskurs im Podium sowie die gemütlichen Runden in den Pausen oder am Abend kamen bei den Teilnehmern wie immer sehr gut an.

Anfang November 2022 haben wir uns im Gruppenraum mit dem „erweiterten Orga-Team“ getroffen. Dies sind Eltern, die nicht im Vorstand arbeiten, sich aber trotzdem für den Verein in der einen oder anderen Form engagieren. Uns als Vorstand war hier wichtig, uns für geleistete Arbeit zu bedanken und Impulse für die Zukunft zu bekommen.

Mitte November 2022 besuchte der 1. Vorstand und ein weiteres Vereinsmitglied das Suchtsymposium der Landesärztekammer in Stuttgart, das vom Ausschuss „Suchtmedizin“ organisiert wurde. Auch hier war das Thema Doppeldiagnose Schwerpunkt der Vorträge und wir konnten unser Wissen weiter ausbauen. Auch wurden die Veränderungen im Konsumverhalten über die Jahrzehnte beleuchtet. Waren in den 80er-Jahren noch 80 % der Klinik-Patienten heroinabhängig und ca. 10 % Cannabiskonsumenten, so gibt es heute kaum noch eine klare Zuordnung. Der polyvalente Konsum nimmt rapide zu, heute sind gerade noch 10 % Mono-konsumenten, 20 % konsumieren 2 verschiedene Stoffe, alle anderen 3 oder mehr unterschiedliche Stoffe. Ein komplettes Drogenscreening umfasst heute 500 Stoffe! Die deutlich einfachere Verfügbarkeit (Online-Handel und auch über Arztpraxen) zu wesentlich niedrigeren Preisen stellt ein großes Problem dar. Ebenso die Selbstverständlichkeit des Konsums, das Schlafmittel oder das Hilfsmittel für Prüfungen ist gesellschaftsfähig. Wie jedes Jahr haben wir auch diesmal von den Angeboten und Fachseminaren des BVEK und BWLVES profitieren können. Auch die Vernetzung und der Austausch mit anderen Elternkreisen empfinden wir immer als Bereicherung.

Karlsruhe hält ein großes Angebot im Suchthilfenetzwerk vor. Zusammen mit den vielfältigen Möglichkeiten auf Landes- und Bundesebene gibt es immer viel zu tun und die wöchentlichen Gruppentreffen werden ergänzt durch ca. 50 weitere Termine im Jahr.

Schweren Herzens haben wir schon frühzeitig pandemiebedingt unsere diesjährige Weihnachtsfeier abgesagt. Trotzdem wollten wir uns auf dem Weihnachtsmarkt treffen, um das Jahr gemeinsam zu verabschieden. Solche Events, wie auch unser Sommerfest im Juli wirken sich stets sehr positiv auf die Gruppendynamik aus. In 2023 haben wir geplant, in bewährter Weise fortzufahren. Das Thema Doppeldiagnose soll auch im kommenden Jahr ein Arbeitsschwerpunkt des Leitungsteams sein. Ebenso möchten wir gerne unsere Bibliothek erweitern, um auch dieses besondere Angebot auf aktuellem Stand zu halten.

Bettina Konstandin (1. Vorstand) und Dr. Andreas Gebauer (2. Vorstand)

Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten zur Gruppe finden Sie unter EL-dro-ST e. V. Die Elternselbsthilfe für Karlsruhe und Umgebung, Eltern und Angehörige drogenabhängiger oder drogengefährdeter Söhne und Töchter (selbsthilfe-ka.de)

Selbsthilfebüro Karlsruhe

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