Das Selbsthilfebüro der Paritätischen Sozialdienste in Karlsruhe veröffentlicht für Selbsthilfegruppen und Freunde der Selbsthilfe aus dem Stadt- und Landkreis Karlsruhe folgenden Beitrag:
Themenabend 24.10.2023
Die Genesungsbegleiterin Uschi Franz berichtet über ihre Tätigkeit in der Psychiatrie Karlsruhe
Vor einigen Wochen besuchte unsere Gruppenleiterin den Freitagsclub im Städtischen Klinikum in Karlsruhe und stellte dort die Arbeit der Elternselbsthilfe vor. Hierbei war sie sehr überrascht, wie lange es dieses Angebot bereits gibt – ohne dass wir von EL-dro-ST etwas davon gehört hatten. Das Angebot sowie die Arbeit in dieser Stunde am Freitagnachmittag empfand sie so wertvoll, dass ein Gegenbesuch vereinbart wurde.
Der Freitagsclub
Uschi Franz stellt sich vor und berichtet der EL-dro-ST-Gruppe zunächst über den Freitagsclub, gegründet von Dr. Maria Rave-Schwank im Jahr 1991. Wöchentlich freitags von 15 bis 16 Uhr versammeln sich dort seit über 30 Jahren Patient*innen, ehemalige Patient*innen, deren Angehörige, Interessierte und Mitarbeiter der Klinik zum Gedankenaustausch in einer offenen Gruppe. Auch Informationen über psychiatrische Krankheitsbilder, ihre Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten oder psychoedukative Themen erhalten die Gäste des Freitagsclubs, im ehemaligen Café der Klinik, das von Frau Franz mit organisiert wird – sie ist dort regelmäßig freitags anzutreffen.
Der Lebensweg von Uschi Franz
Die Referentin gibt uns einen sehr detaillierten Einblick in ihren Lebensweg: Als Betroffene schildert sie anschaulich und eindringlich ihren persönlichen und beruflichen Werdegang. Geboren im Jahr 1968, erkrankte sie Mitte zwanzig plötzlich und heftig an einer bipolaren Störung, nachdem sie sechseinhalb Jahre als Pferdewirtin in ihrem Beruf gearbeitet hatte. Die Beziehung zu ihren Eltern beschreibt sie als sehr schwierig. Nachdem sie das erste Mal aus der Psychiatrie entlassen worden war, stand sie vor dem Nichts und musste wieder bei ihren Eltern einziehen, was für sie äußerst belastend war. Später fand sie dann glücklicherweise mit Unterstützung eine kleine eigene Wohnung.
Zwischen 1992 und 2001 erlebte sie neun Klinikaufenthalte, sieben davon in der Psychiatrie Karlsruhe. Eingeliefert wurde sie stets in akut psychotischen Phasen mit manischen Symptomen, meistens auf eigenen Wunsch. Die verordneten Medikamente setzte sie ab, sobald sie die Klinik verlassen hatte und es ihr besser ging, was zu einem weiteren psychotischen Schub führte und somit zum nächsten Klinikaufenthalt führte usw. „Normales“ Leben war ihr fremd, es hat sich für sie angefühlt wie eine „Rolle“, die sie zu spielen hatte. Schlussendlich fand Frau Franz eine niedergelassene Psychiaterin, der sie vertraute und der sie sich öffnen konnte, sodass sie den „Teufelskreis“ durchbrechen und genesen konnte.
Ihre Tätigkeitsbereiche
Seit vier Jahren arbeitet sie nun als bezahlte Genesungsbegleiterin im Städtischen Klinikum. Zuvor hat sie eine qualifizierende EX-IN-Ausbildung in Frankfurt/Main absolviert, ein Begleit-Praktikum leistete sie in der Psychiatrie Karlsruhe (Station P30) ab. Kernidee des EX-IN-Programms (Experience Involvement) ist es, ehemalige Patient*innen, also genesene Psychiatrie-Erfahrene, in die Betreuung und Begleitung der Patient*innen einzubinden.
Frau Franz´ derzeitiger Einsatzbereich ist das STÄB-Team (=Stationsäquivalentes Behandlungsteam):
Dieses multiprofessionelle Behandlungsteam aus Ärzt*in, Psychologin, Sozialarbeiterin, Ergotherapeutin, Genesungsbeleitern und Fachkräften aus der Krankenpflege etc. besucht und behandelt Patient*innen zu Hause in den eigenen vier Wänden. Das Ziel ist, die Patienten wieder zurück in einen geregelten Alltag zu begleiten, eine Behandlung dauert Wochen bis Monate.
Zielgruppe des ambulant aufsuchenden STÄB-Programms sind Patient*innen, die sowohl absprachefähig und zuverlässig als auch nicht suizidal sind, die aber aufgrund ihrer Lebensumstände (z.B. Kinder, Haustiere, Sozialphobie etc.) nicht stationär behandelt werden können. Das Behandlungsteam trägt dafür Sorge, dass täglich mindestens eine Stunde Kontakt zum Patienten / zur Patientin besteht (auch am Wochenende, wenn auch kürzer). Derzeit werden acht Personen im STÄB-Projekt der Psychiatrie behandelt.
Als weiteren Tätigkeitsbereich erläutert Uschi Franz ihre ehrenamtliche Arbeit bei der IBB (= Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle) Psychiatrie Karlsruhe. Hier setzt sie sich als Fachkraft, zusammen mit anderen Betroffenen, Professionellen, Angehörigen und engagierten Bürger*innen für psychisch Erkrankte und deren Angehörige ein. Die IBB gibt Rat und unterstützt, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt oder Probleme mit ambulanten oder stationären Einrichtungen hat. Finanziert wird die Fachstelle vom Sozialministerium Baden-Württemberg.
Im Mai 2024 wird der IBB in Karlsruhe eine Fachtagung zum Thema „Angehörige“ organisieren.
Wer in einem Thema drin ist, bildet ein Netzwerk um sich. So hat Frau Franz über die Jahre ein großes Fachwissen angehäuft bzgl. den in Karlsruhe bestehenden Strukturen. Unter anderem reden wir noch über den Sozialpsychiatrischen Dienst, der in Karlsruhe beim Zentrum für seelische Gesundheit angesiedelt ist. Über diesen Weg kann man in der ambulanten Versorgung ebenfalls Hilfe zur Alltagsbewältigung sowie Krisenbeistand erhalten. Erwähnenswert ist noch der Gemeindepsychiatrische Verbund (GPV). Der Gemeindepsychiatrische Verbund ist ein Gremium mit zahlreichen Kooperationspartnern, die in der psychiatrischen Versorgung tätig sind. Hier möchte man eine Verbesserung des Hilfesystems für psychisch kranke Menschen erarbeiten. Im Internet unter „Angebote im Gemeindepsychiatrischen Verbund der Stadt Karlsruhe“ sind die verschiedenen Träger verzeichnet!
Last but not least bringt Uschi Franz sich ehrenamtlich in der Rundfunkarbeit beim „Querfunk“ Karlsruhe ein. Einmal monatlich produziert sie dafür im Team mit weiteren Psychiatrie-Erfahrenen die Wortsendung „LOCA“ (Sendezeit jeden 3. Donnerstag im Monat von 14 bis 15 Uhr, Wiederholung am 4. Samstag um 13 Uhr).
Einen wichtigen Hinweis gibt uns Frau Franz noch mit auf den Weg: „Auch psychisch kranke Menschen müssen gefordert werden, zu viel Schonung ist nicht hilfreich!“
Die Anwesenden bedanken sich zum Abschluss herzlich bei Uschi Franz dafür, dass sie ihnen diesen aufschlussreichen Einblick in ihr Leben und ihren beruflichen Wirkungskreis gegeben hat. Auch hat sie all unsere Fragen beantwortet und uns somit unterstützt, die Hemmungen gegenüber psychisch erkrankten Menschen abzulegen und mehr Verständnis für diese Personen zu entwickeln. Die EL-dro-ST-ler*innen wünschen ihr für ihr weiteres Tun alles Gute.
Text: Ute Lührs
EL-dro-ST e.V.
Weitere Informationen zur Selbsthilfegruppe in unserem Gruppenverzeichnis unter EL-dro-ST e. V. Die Elternselbsthilfe für Karlsruhe und Umgebung, Eltern und Angehörige drogenabhängiger oder drogengefährdeter Söhne und Töchter (selbsthilfe-ka.de)
Selbsthilfebüro Karlsruhe
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